Monat: Juni 2017

„Wie im Himmel“

Innenraum der Petruskirche

Am Johannistag (24. Juni) fand in der Petruskirche auf dem Felsen über der Saale die „7. Nacht der spirituellen Lieder“ statt. Weil man so ein Event eigentlich nicht beschreiben kann, hier ein paar Bildeindrücke.

Der Herzlicht-Singkreis, eine offene Vereinigung von Menschen, die gern spirituelle Gesänge singen, lud unter der Leitung von Uta Lesch zum Mitsingen ein. Im Wechselgesang, manchmal auch im Kanon, sangen wir Lieder auf deutsch, englisch und französisch (v. a. Taizé-Gesänge), aber auch auf hebräisch, arabisch, indisch, Suaheli und in der Irokesen-Sprache. Von ruhig-meditativ bis lebhaft und bewegt reichte die Liederpalette, teilweise mit viel Trommelunterstützung. „Die Hausmusik“ unter Ulf Zschille sang und spielte für uns u. a. ein jiddisches Lied und mit „MissKlang“ wurde eingeladen zum Tönen im Kreis – „wie im Himmel“, wenn Ihr euch an den Film oder das Theaterstück erinnert.

Die Texte konnten wir alle mit nach Hause nehmen, nur schade, dass die Melodien nicht im Gedächtnis hängenbleiben. Das gemeinsame Singen, das sich an Gott, wie immer wir ihn / sie ansprechen, richtet, verändert uns Singende, unsere Herzen und Seelen und schafft Gemeinschaft. Nicht Gott braucht uns, wir brauchen ihn / sie. So konnten wir gemeinsam singen “ Möge Heilung geschehn.“ Das wünsche ich Euch und uns allen.

Frauenwallfahrt zum Kloster Helfta

„Brücken schütten Gräben nicht zu, ebnen Unterschiede nicht ein, schaffen Hindernisse nicht weg, erkennen Trennendes an und ermöglichen dennoch Begegnung“ (Peter Ganzert)

Hier mein Pilgerbericht (obwohl ich erst am Abend dazukam):

Am Freitag, dem 9. Juni, machten sich 12 Frauen aus Halle zu Fuß auf den Weg zum Kloster Helfta (Eisleben). Dort fand am 10. Juni die 23. Frauenwallfahrt des Bistums Magdeburg statt, organisiert von den Halleschen Frauen der KFD (Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands). Im Jahr des Reformationsgedenkens lautete das Thema der Wallfahrt „Wenn Frauen sich trauen, Brücken zu bauen“. Der Weg führte die Frauen in kleine Kirchen am Weg, in denen jeweils eine Pilgerandacht gehalten wurde, zu einer Farbe des Regenbogens. Der Regenbogen als Brücke zwischen Gott und den Menschen: „Meinen Bogen setze ich in die Wolken; er soll das Bundeszeichen sein zwischen mir und der Erde“ sagte Gott zu Noah (1 Mose 9, 13). Die letzte Station bildete das „Lebendige Labyrinth“ in der weitläufigen Klosteranlage in Helfta. In Anlehnung an das Labyrinth der Kathedrale von Chartres wurde hier ein Gartenlabyrinth aus verschiedenen Heil- und Heckenpflanzen angelegt und liebevoll gepflegt. Die Mitte bildet ein Pavillon aus Buchenblättern. Jetzt im Juni stehen die Pflanzen in voller Blüte, man wird durch Duft und das Summen von Bienen und Hummeln eingehüllt.  

Am Folgetag trafen etwa 400 Frauen und einige Männer nicht nur aus Sachsen-Anhalt, sondern u. a. aus dem Eichsfeld, Berlin und München zu Wallfahrt ein. Den Gottesdienst hielt Probst Hentschel aus Halle, der als einziger Mann zwischen den Frauen am Altar stand. In den Texten hörten wir ausnahmslos von starken Frauen aus der Bibel: von Rut und Naomi (Rut 1, 7 – 19) sowie der Syrophönizierin, die Jesus um Hilfe für ihre kranke Tochter bat (Mk 7, 24 – 30). Am Ende des Gottesdienstes wurde die neue geistlich-theologische Leiterin der KFD vorgestellt und begrüßt, Frau Rebekka Gewandt. Als Geschenk erhielt sie – wie kann es anders sein – eine Bibel in gerechter Sprache.

Im anschließenden Zwischenprogramm lernten wir im Reformationsjahr die Nürnberger Äbtissin Caritas Pirckheimer (1467 – 1532) kennen, die als erste Brückenbauerin der Ökumene gilt. Kein Geringerer als Philipp Melanchthon sollte sie überzeugen, zu den Reformatoren überzutreten. Die kluge und hochgebildete Frau stimmte der Reformation in vielen Punkten zu, wollte aber ihrengewählten Lebensweg nicht verlassen. Sie argumentierte mit Luthers Argumenten: Freiheit des Gewissens und der Absage an Zwang und Gewalt. Mit Melanchthons Erlaubnis durfte sie ihr Kloster im protestantischen Nürnberg weiterführen und wurde damit eine Botschafterin für Toleranz und Glaubensfreiheit.

Um Brückenbauen und Frauenpower ging es auch bei den weiteren thematischen Angeboten des Tages: eine Brücke zwischen Wallfahrt und Alltag durch kreatives Gestalten eines Steines oder eine Brücke zum Fremden: durch den Besuch der Frauen aus dem Flüchtlings-Frauenhaus in Halle (unter ihnen Adile, die bei unserem letzten Picknick dabei war). Für diese wurden Spenden gesammelt, zur Anschaffung von Fahrrädern. Kleiner Wermutstropfen: es gab zum Mittagessen Nudeln mit Wurstgulasch. Die Klosterküche hatte nicht daran gedacht, für die muslimischen Frauen ein Essen ohne Schweinefleisch zuzubereiten (auch nicht für Vegetarierinnen). Die „Brücke zu den Konfessionen und Religionen“ wurde durch zwei Ausstellungen im Kloster geschlagen: „Reformationsgedenken im Kloster Helfta“ und „Welt-Frieden – Welt-Ethos“. Beide Ausstellungen sind noch längere Zeit zu besichtigen.

Für alle, die es noch nicht kennen: Das Kloster Helfta, direkt an der B80 gelegen, gehört zu den herausragenden Stätten auf der Straße der Romanik. Nach seiner Gründung im Jahr 1229 entwickelte es sich zu einem Zentrum der Mystik, die berühmten Mystikerinnen Mechthild von Magdeburg, Mechthild von Hakeborn und Gertrud die Große lebten hier. In einer Zeit, in der Frauen zunehmend die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verwehrt wurde (zu den neugegründeten Universitäten hatten Frauen keinen Zugang), griffen diese gebildeten und selbstbestimmten Frauen mit ihren Schriften in die gesellschaftliche Diskussion ihrer Zeit ein. Während der Reformation und des Bauernkrieges begann der Niedergang des Klosters. Die Gebäude gingen durch die Hände verschiedener Besitzer und wurden hauptsächlich für landwirtschaftliche Zwecke genutzt, zuletzt in der DDR als LPG. Nach der Wende wurde das Kloster mit Spendengeldern vom Bistum Magdeburg zurückgekauft und seit 1998 Schritt für Schritt restauriert. Noch heute warten einige Gebäude auf ihre Sanierung. Seit Sommer 1999 leben wieder Ordensschwestern in Helfta (Zisterzienserinnen). Heute lädt das Kloster als Ort der Stille und Besinnung nicht nur Christen zum Verweilen ein. Auch bei Besuchern der Stadt Eisleben sind das Hotel und Tagungshaus beliebt, nicht zuletzt wegen der weitläufigen Gartenanlage mit dem „Lebendigen Labyrinth“. Wir sollten einmal zu einem gemeinsamen Besuch dorthin fahren.

Noch eine kleine Geschichte zum Schluss: Während der Flüchtlingskrise nahmen die Schwestern in Helfta mehrere Flüchtlingsfamilien in ihren Häusern auf, das Hotel wurde zeitweilig geschlossen. Die Familien sagten: „Wir freuen uns immer, wenn bei Ihnen die Glocken läuten. Dann wissen wir, dass Sie jetzt zum Beten gehen und wenden uns auch zum Gebet gen Mekka.“ Glockenläuten als interreligiöse Einladung zum Gebet – ein schöner Gedanke.


 

 

 

 

„One god“ – Konzert zu den Händelfestspielen

Die Marktkantorei und der Kammerchor des Unichores Halle

Musik aus drei Kulturen als interreligiöses Gebet

Im Programm der Händelfestspiele liest es sich so: „Ein interreligiöses Projekt der abrahamitischen Weltreligionen. Musik aus dem Judentum, Christentum und Islam vom Mittelalter bis zum Barock“. Das Konzert am Abend des 31. Mai in der Konzerthalle (Ulrichskirche) in Halle war sicher eine der schönsten Aufführungen und hat mich wie viele andere tief bewegt. Unter der Leitung von Mehmet C. Yeşilçay (Istanbul), der gleichzeitig die Ud, eine orientalischen Kurzhalslaute, spielte, sangen zwei Hallesche Chöre, das deutsch-türkische Pera-Ensemble und zwei Sängerinnen (Katja Stuber/Darmstadt und Michal Elia Kamal/Tel Aviv) Werke der „tres culturas“: von Hildegard von Bingen, dem kastilischen König Alfons dem Weisen, Pachelbel und Händel wie auch traditionelle hebräische Lieder und Sufigesänge. Und im Mittelpunkt die Musik des Wojciech Bobowski aus Lemberg, der von den Tataren verschleppt wurde und fast sein ganzes Leben in Konstantinopel verbrachte. Seine Musik ist ein echtes Bindeglied der Kulturen.

Die ausführliche Rezension eines begeisterten Konzertbesuchers gibt es hier.

Das Anliegen von Herrn Yeşilçay lässt sich ganz kurz zusammenfassen:  Alle diese Musik hat einen und denselben Adressaten: the One God, wie auch der Titel des Konzerts lautete. So unterschiedlich sie auch ist, die Musik ist eine Brücke der Kulturen und Religionen, über die wir alle gehen können.